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20095 Hamburg
Rede zum Haushalt des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ich bin meinem Kollegen Herrn Leutert sehr dankbar, dass er die Debatte wieder auf das reale Maß zurückgeführt hat und ein bisschen das Hütchen gelüpft hat, das diesen Pseudofrieden in der Regierung bedecken sollte. So gut sieht das nämlich im Entwicklungsbereich gar nicht aus. Herr Minister, Sie waren heute im Vergleich zu Montag, als wir bei Ihnen im Ministerium waren, geradezu moderat. Sie haben bei der Kabinettsentscheidung eine Protokollerklärung abgegeben, dass Sie zwar wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass der Haushalt 2018 einen veritablen Aufwuchs verzeichnet, aber dass der Sinkflug, der dann 2019, 2020 und 2021 eintreten soll - ich sehe, Sie nicken kräftig -, eigentlich einem Bruch der Koalitionsvereinbarung gleichkommt. So kann man das nämlich übersetzen.
Herr Leutert hat es vielleicht etwas zu hart zugespitzt, als er gesagt hat, dass man, wenn man alle Aufwüchse im Verteidigungsetat zusammennimmt, auf ein Plus in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages kommt. Ich stelle es jetzt noch einmal etwas genauer insbesondere für die Kollegen der SPD dar; denn Finanzminister Scholz, der für den Finanzplan zuständig ist, ist ja SPD-Mitglied. Unter der Maßgabe, dass diese Große Koalition den alten Finanzplan, der ja auch von einer GroKo aufgestellt wurde und bei dem auch schon ein Aufwuchs im Verteidigungsetat vorgesehen war, als Grundlage genommen hat - das finden wir Grüne falsch, aber das nehme ich einmal hin -, rechne ich jetzt einmal die Eins-zu-eins-Regel. Selbst unter der Maßgabe, dass der alte Finanzplan gilt, hat Frau von der Leyen in der mittelfristigen Finanzplanung 2,7 Milliarden Euro mehr, das BMZ jedoch deutlich weniger. Da findet der Aufwuchs nicht im Verhältnis eins zu eins statt, sondern in diesem Finanzplan findet sich ein milliardenschwerer Bruch gegenüber den Maßstäben, die Sie eigentlich angelegt haben, und gegenüber dem, was Sie der Öffentlichkeit verkauft haben. Das wiegt insbesondere deshalb schwer - das hat der Minister auch richtig gesagt -, weil das Auswirkungen auf die ODA-Quote und die Glaubwürdigkeit der von der Bundesregierung vertretenen Positionen hat. Die 0,5 Prozent unter Herausrechnung der Aufwendungen für die Flüchtlinge im Inland erreicht zu haben, war schon ein gewaltiger Schritt in der vergangenen Legislaturperiode. Das haben wir Grünen auch zugestanden. Aber jetzt nehmen Sie in Kauf, dass die ODA-Quote wieder Jahr für Jahr sinken wird, und das ist die Konsequenz der Finanzplanung von Finanzminister Olaf Scholz, SPD. Da können Sie sich nicht einfach zurücklehnen und wie Sie, Frau Steffen, sagen: Wir hoffen, dass das irgendwann besser wird. - Sie müssen da jetzt liefern. Deswegen wäre, wenn es so bliebe, unter diesem Gesichtspunkt der BMZ-Etat eine milliardenschwere Mogelpackung.
Herr Minister, es ist natürlich richtig, auch Sie in die Pflicht zu nehmen. Sie müssen den Streit auch wirklich ausfechten. Sie haben nämlich noch eine Milliardenlücke, und zwar beim internationalen Klimaschutz. Die Zusagen der Bundesrepublik bis zum Jahr 2020 - das spielt sich alles in dieser Legislaturperiode ab - bedeuten, dass wir noch 1 Milliarde drauflegen müssen, damit Deutschland die in Kopenhagen gemachte Zusage, den eigenen Beitrag zum internationalen Klimaschutz schrittweise zu erhöhen, einhält. Davon ist in Ihrem Haushalt nichts zu sehen. Sie haben also auch da noch Ihre Hausaufgaben zu machen.
Sie könnten jetzt sagen: Frau Hajduk, Sie reden ja über den Finanzplan, wir reden aber über den Haushalt 2018. - Ein Nachweis jedoch, der leider auch im Haushalt 2018 steckt, ist bei der Entwicklungspolitik besonders wichtig und in diesem Fall auch dramatisch. Es geht nicht immer nur um die im Haushalt 2018 verankerten Zahlen, sondern es geht auch um die Verpflichtungsermächtigungen, die wir in diesem Jahr für die Zukunft geben. Und nur auf dieser Basis kann Entwicklungspolitik funktionieren. Im Haushalt 2018 sind die Verpflichtungsermächtigungen jedoch zusammengestrichen worden. Es gibt da ein Minus um 15 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017. Auch da müssen Sie in den Haushaltsberatungen noch etwas nachbessern. Wir werden entsprechende Anträge vorlegen. Vielleicht stimmen Sie ja dann auch diesen Anträgen zu. Das wäre ja nicht das Schlechteste.
Ich möchte zum Schluss noch etwas dazu sagen, was im Sinne einer glaubwürdigen und ehrlichen Politik auch nicht passieren dürfte. Die Bundeskanzlerin hat ja heute Vormittag im Zusammenhang mit internationalen Krisen deutlich gemacht, wie wichtig die Finanzierung von multilateralen Institutionen ist. Sie hat auch auf das Thema Welternährungsprogramm Bezug genommen. Wir stellen fest, dass in den entsprechenden Töpfen in Ihrem Haushalt, Herr Müller, keine entsprechenden Aufwüchse sind. Im Jahr 2011 lag der Anteil an der multilateralen Organisationsfinanzierung in der ODA-Quote bei 62 Prozent. Jetzt - uns liegen die Zahlen für 2016 vor - ist er auf 26 Prozent abgesunken. Sie haben die Entscheidung getroffen, die multilaterale Finanzierung dermaßen zurückzufahren. Das halte ich für nicht glaubwürdig und nicht richtig - schon gar nicht in Zeiten, wie wir sie im Moment angesichts der Flüchtlingsdynamik erleben.
Der allerletzte Punkt - er geht ganz schnell - betrifft Kohärenz: vernetzte, in sich stimmige Politik. Ja, Deutschland muss eine führende Rolle bei dem zukünftigen europäischen Finanzrahmen übernehmen. Es kann nicht sein, Herr Müller, dass wir zehnmal so viel Geld für europäische Agrarpolitik ausgeben wie für die gesamte Entwicklungspolitik der Europäischen Union. Jetzt muss der Entwicklungsminister der Landwirtschaftsministerin aus der eigenen Fraktion, dem Kanzleramt und dem Bundesinnenminister klarmachen, dass es eine Federführung braucht und eine stimmige Entwicklungspolitik, die mehr Geld in die Partnerschaft für Afrika setzt als in die alte Subventionierung einer falschen Agrarpolitik in Europa. Daran werden wir Sie messen.