Rede

Die finanzielle Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung ist besorgniserregend

Es ist in der Tat nicht nur in den vergangenen Wochen, sondern auch Monaten viel passiert. Es ist erfreulich, dass bald Impfstoffe zur Verfügung stehen; das ist beachtlich. In den Haushaltsberatungen haben wir an dem Haushalt Ihres Ministeriums noch eine Menge gearbeitet und verändert. Es ist gesagt worden: Zu den geplanten 24 Milliarden Euro sind mehr als 11 Milliarden Euro dazugekommen; das ist richtig. Wir Grünen freuen uns, dass insbesondere auch klargezogen ist, dass es Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser in Höhe von mehreren Milliarden Euro gibt und auch die Pandemiebekämpfung dadurch gesichert ist.

Weniger erfreulich - das muss ich aber ansprechen - ist die finanzielle Situation unseres Gesundheitswesens strukturell. Die finanzielle Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung ist besorgniserregend, und das - wie Sie, Herr Spahn, gerne betonen; das ist Fakt - bei der zweitältesten Gesellschaft der Welt, was das Lebensalter angeht. Wie ich bereits in der ersten Lesung gesagt habe: Die gesetzliche Krankenversicherung hat im nächsten Jahr eine strukturelle Lücke in Höhe von 16 Milliarden Euro, und dieses Defizit kann man eben nicht auf Corona schieben.

In diesem Jahr hätte es laut Schätzungen des GKV-Spitzenverbandes ohne Corona ein Defizit von mehr als 5 Milliarden Euro gegeben. Auch in den nächsten Jahren werden die Ausgaben ansteigen - wir haben diverse neue Gesetze beschlossen -, und dann geht es eben in den zweistelligen Milliardenbereich. Von so einem wachsenden strukturellen Defizit muss man sprechen, das muss man offen zugeben, und das hat die Bundesregierung bisher vermieden.

Das ist kein Oppositionsdrama, was ich hier aufführe, das sind die Fakten. Wir diskutieren vor dem Hintergrund einer Haushaltssituation, in der wir durch die Pandemiebekämpfung stark ins Defizit geraten und in der Sie gleichzeitig die Garantie geben: Die Sozialversicherungsbeiträge sollen in Zukunft nicht über 40 Prozent steigen. - Also muss man dafür eine Lösung aufzeigen.

Ihre Lösung, die 16 Milliarden Euro jetzt mit 8 Milliarden Euro Rücklagen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen, ist ja nicht nachhaltig. Dann kommen 5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt - auch noch nicht nachhaltig gesichert - und 3 Milliarden Euro strukturell durch die Beitragszahler. Wir halten das für unausgewogen.

Sie hätten einige Dinge machen können. Sie hatten im Koalitionsvertrag eigentlich vor, für die Bezieher von Arbeitslosengeld II kostendeckende Beiträge für die GKV aus dem Bundeshaushalt zu übernehmen. Das hätte man machen sollen; das wären einige Milliarden gewesen. Das haben Sie leider nicht gemacht. Und Strukturreformen im Krankenhausbereich stehen auch aus. Das wird unbedingt angepackt werden müssen.

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt ansprechen. In den letzten Tagen - das ist auch hier in der Debatte Thema gewesen - haben wir über fehlende Haushaltsmittel für IT-Personal beim RKI gesprochen. Gestern hat Frau Kollegin Bärbel Bas eingeräumt, dass es einen kräftigen Personalaufwuchs beim RKI von über 130 Planstellen gibt. Der Löwenanteil dieser Stellen geht in die künstliche Intelligenz. Ich finde: Uns stellt sich jetzt noch mal die Frage, ob das die richtige Steuerung der Personalausstattung ist und ob wir nicht vor dem Hintergrund der Pandemie sicherstellen müssen, dass die digitalen Herausforderungen der Pandemie Priorität haben.

Wir Grüne haben gefordert, für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im Haushalt ein zentrales Digitalbudget von 500 Millionen Euro bereitzustellen; dann kann man daraus ressortübergreifend solche Lücken füllen. Leider ist das von Ihnen abgelehnt worden. Wir haben aber doch sonst auch viele Zentraltitel im Finanzministerium. Ich fordere Sie im Finanzministerium und auch Sie, Herrn Spahn, auf: Sorgen Sie dafür, dass genug IT-Personal für das RKI eingesetzt werden kann! Es ist doch der zentrale Knotenpunkt für die Kommunikation über die Pandemie in unserem Land.

Ich rede hier auch nicht prinzipiell und theoretisch. Es hat praktische Auswirkungen gehabt, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst bisher eben nicht über eine einheitliche IT mit dem RKI kooperieren konnte. Das ist jetzt erst mit Verzögerung eingetreten, und das ist nicht gut für den Informationsaustausch bei Nachverfolgungen gewesen. Also: Da gibt es Besserungsbedarf.

Ich komme zum Schluss. Die Bundesregierung wird mit diesem Haushalt nicht ihrer Verantwortung gerecht, dafür zu sorgen, dass das Gesundheitssystem nachhaltig finanziert ist. Vielleicht befeuert die strukturelle Unterdeckung in der gesetzlichen und, nicht zu vergessen, der privaten Krankenversicherung endlich eine Debatte über eine solide und solidarische Finanzierung in Zukunft, dann vielleicht mit einer Bürgerversicherung. Jedenfalls haben es die Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten und Beachtliches leisten, verdient, diese intensive Arbeit auf Basis einer soliden Finanzierung zu machen. Die müssen wir erarbeiten, und ich hoffe, dass Sie sich da auch ein bisschen von der Opposition inspirieren lassen. Vielen Dank.

Rede zum Etat des Gesundheitsministeriums: Video