Burchardstr. 19
20095 Hamburg
Sehr geehrter Herr Minister Scholz! Ja, uns fällt kein Zacken aus der Krone, wie mein Fraktionsvorsitzender gesagt hat, zuzugeben: Dieses Paket ist besser als erwartet oder befürchtet. - Wir als Grüne sind davon überzeugt, dass es jetzt eine aktive Rolle des Staates braucht. Aber dieses Paket hat gravierende Schwächen, und das ist bei der Summe von 130 Milliarden Euro sehr bedauerlich.
Sie haben selber die befristete Mehrwertsteuersenkung als Herzstück bezeichnet. Und in der Tat: Das ist eine 20 Milliarden Euro teure Wette. Das Problem ist: Sie ist nicht wirklich zielgerichtet; dafür ist die Summe von 20 Milliarden sehr, sehr hoch.
Es ist auch nicht klar, was von diesem Betrag wirklich bei den Menschen ankommt, und es droht dann beim Übergang von 2020 auf 2021, in einer sehr sensiblen Phase, ein Zickzackkurs. Das überzeugt mich und uns nicht.
Aber was ich zugestehen will: Es ist nicht ganz leicht, Konjunkturpakete sehr, sehr wirksam zu konzipieren. - Was mich dann jedoch sehr wundert, ist, dass Sie nicht sehr stark und ausdrücklich Wert darauf gelegt haben, durchzusetzen, dass für mehr Gerechtigkeit gesorgt wird bei denen, die wirklich sehr wenig haben, oder bei denen, die massiv in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind.
Das heißt, Sie hätten mindestens befristet die Regelsätze für Hartz IV anheben müssen. Das wäre auch finanzierbar gewesen.
Es ist zu Recht gesagt worden: Sie haben doch weiterhin eine Rücklage von knapp 20 Milliarden Euro. - Es ist nicht richtig, den Menschen, die als Kleinunternehmer, als Selbstständige keine Chance haben, ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, nur Unterstützung bei den Mieten zu geben, sondern die brauchen auch was für ihren Lebensunterhalt. Die Menschen fühlen sich in ihrer Existenz bedroht und alleingelassen.
Ich komme zu einem weiteren Punkt - Herr Scholz, das kann ich Ihnen nicht ersparen -: 40 Milliarden dieser 218 Milliarden Euro, die wir jetzt zusätzlich an Verschuldung machen müssen, sind Steuermindereinnahmen. Das ist ein erwartbarer Effekt bei so einem wirtschaftlichen Einbruch wie dem durch die Coronakrise. Aber wir müssen leider auch zur Kenntnis nehmen, dass gestern die USA aus den OECD-Verhandlungen für eine Besteuerung von Digitalkonzernen ausgestiegen sind. Da zeigt sich, dass es naiv und falsch war von der Bundesregierung und auch von Ihnen, Herr Minister Scholz, allein auf die Verhandlungen auf OECD-Ebene zu setzen bei der Besteuerungsperspektive digitaler Konzerne.
Sie haben nämlich deswegen den Prozess innerhalb der EU ausgebremst. Warum erwähne ich das heute? Eine Digitalsteuer wäre schon vor Corona wichtig und gerecht gewesen für das sogenannte Level Playing Field. Aber in der Krise haben gerade die digitalen Konzerne besonders profitiert. Und da wird deutlich: Wir machen im Moment keine vernünftige Steuerpolitik, die auch die zur Verantwortung zieht, die es finanzieren können.
Deswegen kann ich Sie nur auffordern: Bessern Sie da nach! Es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit.
Die Digitalkonzerne sollen herangezogen werden, indem die unglaublichen Gewinne, die sie machen, besteuert werden. Es wäre nur gerecht, wenn wir das auch wirklich im Steuersäckel für die Gemeinschaft hätten.
Fazit: Wir brauchen ein Konjunkturpaket, ja. Aber damit es ein generationengerechtes Konjunkturpaket ist, gerade bei der Größe, muss es mit einem langfristigen Zukunftsinvestitionsprogramm verbunden werden. Wir brauchen es als Programm, das unsere Art zu wirtschaften klimaverträglich umgestaltet. Das erwartet die junge Generation, das erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger. Ich glaube, die wollen kein Strohfeuer, sondern die wollen einen langfristigen Plan. Daran werden wir Sie messen. Herzlichen Dank.